www.fabiankeil.de/blog-surrogat/2013/12/08/demo-tribunal-gegen-general-klein.html
Am 30.11. gab es in Köln eine Demonstration mit dem Titel
Tribunal gegen Bundeswehrgeneral Georg Klein und alle Kriegstreiber und
Kriegsprofiteure
.
Um das Treiben der Polizei zu beobachten bin auch ich zum Friesenplatz gekommen. Hauptsächlich interessiert hat mich, wie üblich, der Einsatz von Polizei-Kameras und ob und in welcher Form Auflagen bei deren Fotografie erteilt werden würden.
Auflagen mit offensichlichem Bezug zur Polizei-Fotografie bekam ich keine, das kurzzeitige Passieren einer zweireihigen Polizei-Sperre an der Kreuzung Roonstraße-Rathenauplatz wurde mir allerdings erst nach mehrfacher Nachfrage nach der Rechtsgrundlage für die Behinderung und Eskalation zum für die Sperre verantwortlichen Polizisten erlaubt.
Eine Rechtsgrundlage konnte oder wollte auch er mir nicht nennen, die mehrfach wiederholte Begründung, die Demonstration fände auf der anderen Seite der Sperre statt, fand ich ich nicht überzeugend.
Gesehen habe ich lediglich zwei Polizei-Kameras.
Von Anfang an dabei war eine Hand-Kamera, die gelegentlich den Besitzer wechselte, aber der Position nach nicht aufzeichnete.
Vor der Abschlusskundgebung am Rathenauplatz, in dessen Umgebung General Klein wohnen soll, kam zusätzlich ein Polizei-Bus mit Dachkamera. Zuerst parkte er bei den übrigen Polizei-Fahrzeugen gegenüber der Synagoge, noch bevor ich ihn zur obligatorischen Fotografie der Kamera-Position aus der Nähe erreichte, fuhr er jedoch wieder davon.
Auf der anderen Seite des Parks fand ich ihn schließlich wieder,
die Kamera war aufgerichtet, ohne das für mich erkennbar
erhebliche Gefahren für die öffentliche Sicherheit oder Ordnung
bestanden, die laut § 12a VersG
vorliegen müssen um den polizeilichen Kamera-Einsatz auf einer Versammlung zu rechtfertigen.
Der Beweis-Sicherungs-Polizist war sehr zuvorkommend und bestätigte, dass die Kamera zum Zeitpunkt meines Eintreffens aktiv war, bestritt aber, dass die Bilder auch aufgezeichnet wurden. Ziel sei lediglich zu prüfen, ob ausgehängte Todes-Anzeigen strafbare Inhalte enthielten, was aber nicht der Fall sei.
Dass die Todes-Anzeigen in direktem Zusammenhang mit der Versammlung standen und somit das Versammlungsgesetz greifen würde, sei nicht offensichtlich und die Rechtsgrundlage für den Kamera-Einsatz soll eher das Polizeigesetz NRW gewesen sein. Die Versammlung selbst sei mit der Fahrzeugkamera weder aufgezeichnet noch beobachtet worden.
Noch während des Gesprächs wurde die Kamera abgeschwenkt und mir wurde (nach Einladung durch den Polizisten!) gezeigt, dass in einem Verzeichnis auf einem die Kamera steuernden Laptop keine Video-Datei lag und dass nach einer kurzen Aufzeichnung (des Fahrzeug-Dachs) im entsprechenden Verzeichnis eine Video-Datei abgelegt wurde. Fotos vom Innenraum des Fahrzeugs und ein Screenshot des Laptops wurden leider nicht genehmigt.
Technisch war das sicher kein Beweis und Aufzeichnungen hätten bereits gelöscht oder in ein anderes Verzeichnis verschoben worden sein können, dass zumindest die eigentliche Abschlusskundgebung nicht aufgezeichnet wurde scheint mir aber glaubhaft, da das Fahrzeug dafür sehr ungünstig stand.
Die Einschätzung, dass das Versammlungsgesetz bei der Kamera-Beobachtung der
Todesanzeigen und deren Anbringung nicht anwendbar war, teile ich natürlich nicht.
Selbst wenn die Anwendung des Polizeigesetz NRW
in Frage käme, war für mich nicht offensichtlich, dass die in
§ 15a genannten Bedingungen für den
offenen Einsatz optisch-technischer Mittel
erfüllt wurden.
Trotz dieser kleinen Meinungsverschiedenenheit hat die Gesprächs-Atmosphäre nicht gelitten und das Gespräch ging noch einige Minuten weiter. Auch die Fotografie der Kamera aus der Nähe, anderswo ein großes Problem, wurde nicht nur nicht beanstandet, sondern für selbstverständlich legitim gehalten.
Ein Flyer der Arbeitskreis Vorratsdatenspeicherung Ortsgruppe Köln-Bonn wurde mit Interesse entgegen genommen.
Insgesamt war dieser Polizei-Kontakt für mich eine Bereicherung und es wäre schön, wenn auf Demonstrationen in Köln zukünftig mehr ähnlich auskunftsfreudig und kritikfähige Beamten eingesetzt werden würden.
Die eigentliche Ablusskundgebung habe ich verpasst, nach deren Ende kam es noch zur Identitätsfeststellung eines Teilnehmers. Bei der Pressestelle der Polizei Köln habe ich mich dazu nach den Hintergründen erkundet:
From: Fabian Keil <fk@fabiankeil.de> To: pressestelle.koeln@polizei.nrw.de Subject: Strafanzeige wegen "Ihr Vögel"? Date: Sun, 1 Dec 2013 12:30:32 +0100 Sehr geehrte Damen und Herren, nach dem Ende der gestrigen Demonstration "zum Kunduz-Massaker und gegen Bundeswehrgeneral Georg Klein" wurden, nachdem keine Presse-Fotografen mehr zu sehen waren, die Personalien eines Teilnehmers aufgenommen. Den Beginn des Konflikts habe ich verpasst, von Zeugen wurde mir mitgeteilt, die Polizei würde dem Demonstranten vorwerfen "Ihr Vögel" gesagt zu haben und deswegen Strafanzeige wegen Beleidigung der oder des sich angesprochen fühlenden Polizisten stellen. Ist das aus Ihrer Sicht sachlich zutreffend bzw. haben Sie vielleicht weitere Informationen zu dem Vorgang für mich? Es würde mich übrigens freuen, wenn Sie zukünftig für Strafanzeigen in Zusammenhang mit Demonstrationen auch Pressemeldungen heraus geben würden. Vielen Dank für die Auskunft. Mit freundlichen Grüßen Fabian Keil Frankfurter Str. 68 51065 Köln
Bis jetzt liegt mir leider nur eine hoffentlich vorläufige Antwort vor:
From: F Köln Pressestelle <Pressestelle.Koeln@polizei.nrw.de> To: "Fabian Keil" <fk@fabiankeil.de> Subject: AW: Strafanzeige wegen "Ihr Vögel"? Date: Sun, 1 Dec 2013 13:53:59 +0100 Sehr geehrter Herr Keil, der Aufzug und die Kundgebung sind aus unserer Sicht weitgehend störungsfrei verlaufen. Richtig ist, dass eine Strafanzeige wegen Beleidigung und eine Ordnungswidrigkeitenanzeige gefertigt wurden. Weitere Hintergründe zu den Anzeigen, insbesondere ob es sich hierbei um den von Ihnen beschriebenen Sachverhalt gehandelt hat, kann ich Ihnen derzeit nicht geben, da mir die Anzeigen bislang noch nicht vorliegen. Mit freundlichen Grüßen, [...] Leitungsstab 3 - Pressestelle Polizeipräsidium Köln Walter-Pauli-Ring 2-6 51103 Köln [...] Besuchen Sie uns auch im Internet: www.koeln.polizei.nrw.de
Bei der angesprochenen Ordnungswidrigkeitenanzeige
dürfte es
um den Tatbestand Spucken auf den Boden
gehen, zumindest ist
eine derartige Anzeige dem vermeintlichen Freizeit-Ornithologen in meinem Beisein
angekündigt worden.
Eine der gleichen Gruppe von Polizisten wenig später von einer anderen Person vor die Füße geworfenen Zigarette führte nicht mal zu einer Verwarnung, aber ich bin sicher, dass die Aufrechthaltung der öffentlichen Ordnung der einzige Grund für die Erweiterung der Vorwürfe war.
Im Rahmen der Demo-Beobachtung habe ich Polizeibeamtinnen und Polizeibeamte (PVB) fotografiert und bin somit unwissentlich als Gewalttäter aufgetreten. Zumindest, wenn man die Gewalt-Definition einer kürzlich veröffentlichten, im Auftrag des Ministerium für Inneres und Kommunales NRW erstellten, absolut wissenschaftlichen Studie verwendet:
1.3 Gewaltbegriff
Der Studie wurde ein sehr weitgefasster Gewaltbegriff zugrunde gelegt, um ein möglichst breites Spektrum der Gewalthandlungen gegen PVB abbilden zu können. Die Untersuchung beinhaltete dabei strafrechtlich relevante Gewalthandlungen (zu denen auch, aber nicht ausschließlich, Widerstandshandlungen zählen) genauso wie strafrechtlich nicht relevante Handlungen gegen PVB. Von besonderer Bedeutung war in diesem Zusammenhang die Entscheidung, bei der Definition und Operationalisierung von Gewalt neben tätlichen auch nicht-tätliche Angriffe einzuschließen. [...]
[...]
Unter nicht-tätlichen Angriffen können hingegen unter anderem die folgenden Handlungen subsumiert werden:
- [...]
- Foto- beziehungsweise Videografieren
Zu meiner Verteidigung möchte ich erneut betonen, dass mir die Definition zum Zeitpunkt meiner Gewalthandlungen noch nicht bekannt war. Rückblickend schienen sich auch die Opfer der von mir ausgehenden Gewalt nicht bewusst zu sein.
Soweit für mich als Laien erkennbar, haben meine Fotos nicht zu körperlichen oder psychischen Verletzungen geführt und ich bin optmistisch, dass das auch zukünftig so bleiben wird. Die Foto-Gewalt geht jedenfalls weiter.
Die Fotos können frei (CC0) verwendet werden. So weit wie es rechtlich möglich ist, gebe ich hiermit alle Urheberrechte, Leistungsschutzrechte und verwandten Schutzrechte zusammen mit allen damit verbundenen Ansprüchen und Einreden an ihnen auf.