www.fabiankeil.de/blog-surrogat/2005/11/18/kopierschutz-kapierschutz.html
Journalisten sind gelegentlich nicht in der Lage, bei der Schilderung selbst einfacher Sachverhalte in der Nähe der Realität zu bleiben. Selber denken oder gar abenteuerlich klingende Behauptungen zu überprüfen erfordert Zeit. Zeit die keiner opfern möchte.
Wie praktisch, wenn man einfach die Ausscheidungen der Musikindustrie eins zu eins übernehmen kann:
auf CDs vorhandene Defekte mutieren dann schon mal schnell
zum Kopierschutz
. Das Kopieren soll plötzlich verboten sein. Das
UrhG gibt das zwar nicht her,
aber wer möchte schon von einem überarbeiteten Journalisten verlangen, Fakten statt Fiktion zu liefern?
Ich zum Beispiel. Aber ich mache mir da natürlich keine Illusionen.
Journalisten, deren investigative Ambitionen noch zur Suchmaschinenbenutzung ausreichen, werde ich jedoch weiterhin von Zeit zur Zeit einen Informationsbrocken vor die Füße werfen. Wenn schon unreflektiert abschreiben, dann doch bitte hier.
Das heutige Angebot ist:
Schockierendes vorweg: es gibt keinen Audio-CD-Kopierschutz,
es gab nie einen Audio-CD-Kopierschutz und es wird nie
einen geben. Das, was die Marketing-Abteilungen der Medienkonzerne als Kopierschutz
bezeichnen, stellt sich bei Licht betrachtet lediglich als eine Reihe von Standardverletzungen
raus.
Der erste Trick
ist, hinter die Musik eine überflüssige Datensession zu setzen.
Gewöhnliche Hardware-CD-Abspielgeräte lesen
nur die erste Session – also die mit der Musik – was dahinter kommt ist für sie egal.
Computer-Laufwerke können beide Sessions lesen, es kommt auf die verwendete Software an.
Windows zeigt beispielsweise immer nur die letzte Session an, Isobuster kann auf alle Sessions zugreifen, auf Musik-CDs spezialisierte Programme lesen – wie ihre Hardware-Äquivalente – nur die erste Session. FreeBSD ist bereits von Hause aus flexibel: es liest, was der Benutzer möchte. Andere Betriebssysteme lassen ebenfalls dem Benutzer die Wahl.
Zusätzlich kommen als kopiergeschützt
verkaufte Alben mit ungültigen
Fehlerkorrektur-Daten daher. Selbst eine neues Album ist aus der Sicht des
Lesegeräts bereits defekt. Die Auswirkungen dieser Defekte sind von Lesegerät zu
Lesegerät unterschiedlich. Im Allgemeinen sind Computer-Laufwerke jedoch
Hardware-CD-Abspielgeräten deutlich
überlegen, da sie im Alltag auch mit verkratzten und minderwertigen Rohlingen
zurecht kommen sollen.
Bei Hardware-CD-Abspielgeräten kann man froh sein, wenn sie bespielte Rohlinge als solche erkennen, was Kratzer angeht darf man aber – vor allem bei älteren Geräten – keine Wunder erwarten.
Eine verkratzte CD, die der Rechner noch problemlos abspielt, wird in der Anlage schon oft nicht mehr erkannt.
Billig-Abspielgeräte aus Asien sind in dieser Hinsicht robuster als das Angebot der Markenhersteller. Da sie auf Computer-Laufwerken basieren, verfügen sie auch über deren überlegene Fehlerkorrektur. Es kann jedoch passieren, dass sie nur die letzte Session anzeigen, die Musik also nicht abspielen können.
Beim Kopieren am Rechner ist die Zeit für den Benutzer nicht so wichtig, Hauptsache die Musik enthält keine Störungen. Bessere Musik-Lesesoftware fordert fehlerbehaftete Sektoren daher einfach mehrfach an und übernimmt am Ende das wahrscheinlichste Ergebnis.
Abspielgeräte können sich diesen Luxus nicht leisten, bei harten Lesefehlern wird versucht sie zu vertuschen. Das gelingt nicht immer, der Benutzer hört Klick-Geräusche oder auch kurze Aussetzer.
Defekte CDs sind also für den Hörer problematischer als für den Kopierenden.
Zur Erläuterung verwende ich das Album Talkie Walkie
von der französischen
Gruppe Air
. Zu Testzwecken lieh ich es ein zweites Mal aus,
kopiert hatte ich es bereits beim ersten Mal.
Wie die Ausgabe von cdrecord
zeigt, ist der elfte Track eine Datensession (mode: 1):
fk@africanqueen ~ $cdrecord dev=1,0,0 -toc Cdrecord-Clone 2.01.01a03 (i386-unknown-freebsd6.0) Copyright (C) 1995-2005 Jörg Schilling scsidev: '1,0,0' scsibus: 1 target: 0 lun: 0 Using libscg version 'schily-0.8'. Device type : Removable CD-ROM Version : 0 Response Format: 2 Capabilities : Vendor_info : 'LITE-ON ' Identifikation : 'LTR-48125W ' Revision : 'VS0D' Device seems to be: Generic mmc CD-RW. Using generic SCSI-3/mmc CD-R/CD-RW driver (mmc_cdr). Driver flags : MMC-3 SWABAUDIO BURNFREE FORCESPEED Supported modes: TAO PACKET SAO SAO/R96P SAO/R96R RAW/R16 RAW/R96P RAW/R96R first: 1 last 11 track: 1 lba: 0 ( 0) 00:02:00 adr: 1 control: 0 mode: -1 track: 2 lba: 18342 ( 73368) 04:06:42 adr: 1 control: 0 mode: -1 track: 3 lba: 34824 ( 139296) 07:46:24 adr: 1 control: 0 mode: -1 track: 4 lba: 53759 ( 215036) 11:58:59 adr: 1 control: 0 mode: -1 track: 5 lba: 73410 ( 293640) 16:20:60 adr: 1 control: 0 mode: -1 track: 6 lba: 93421 ( 373684) 20:47:46 adr: 1 control: 0 mode: -1 track: 7 lba: 110174 ( 440696) 24:30:74 adr: 1 control: 0 mode: -1 track: 8 lba: 125240 ( 500960) 27:51:65 adr: 1 control: 0 mode: -1 track: 9 lba: 146223 ( 584892) 32:31:48 adr: 1 control: 0 mode: -1 track: 10 lba: 173569 ( 694276) 38:36:19 adr: 1 control: 0 mode: -1 track: 11 lba: 206794 ( 827176) 45:59:19 adr: 1 control: 4 mode: 1 track:lout lba: 229538 ( 918152) 51:02:38 adr: 1 control: 4 mode: -1
Die fehlerhaften Sektoren kann man sich von CDDoctor grafisch darstellen lassen.
In meinem Marantz CD 63 SE, der mehr gekostet hat, als alle meine Computer-Laufwerke zusammen, kann das Album nicht fehlerfrei abgespielt werden. Nach etwa einer halben Minute gibt es die ersten Aussetzer. Ich kann es ihm kaum verübeln, das Album ist halt defekt.
Die vielen fehlerhaften Sektoren haben kaum mit dem Verleih zu tun, vor etwa einem Jahr war ich einer der ersten Ausleiher, bereits damals waren die Fehler vorhanden. Die Fehlerzahl ist seit dem nur minimal gestiegen.
Kopieren ist wie erwartet problemlos möglich, das auf allen relevanten Plattformen verfügbare
cdda2wav
braucht nur geringfügig länger, als für defektfreie
CDs. cdda2wav
kann nur Musik kopieren,
für mehr ist es auch nicht gedacht.
Die Datensession in Track 11 wird zwar als solche erkannt, kann aber nicht mitgelesen werden. Für den Benutzer ist es auch besser so, die Datensession enthält Software, sie von einem nur geliehenen Album zu kopieren würde gegen UrhG § 69c verstoßen.
fk@africanqueen ~/kapierschutz $time cdda2wav dev=1,0,0 -B -paranoia -cddb 1 Type: ROM, Vendor 'LITE-ON ' Model 'LTR-48125W ' Revision 'VS0D' MMC+CDDA 307200 bytes buffer memory requested, 4 buffers, 27 sectors #Cdda2wav version 2.01.01a03_freebsd_6.0_i386_i386, real time sched., soundcard, libparanoia support AUDIOtrack pre-emphasis copy-permitted tracktype channels 1-10 no no audio 2 DATAtrack recorded copy-permitted tracktype 11-11 uninterrupted no data Table of Contents: total tracks:11, (total time 51:00.38) 1.( 4:04.42), 2.( 3:39.57), 3.( 4:12.35), 4.( 4:22.01), 5.( 4:26.61), 6.( 3:43.28), 7.( 3:20.66), 8.( 4:39.58), 9.( 6:04.46), 10.| 4:51.00|, 11.[ 5:03.19] Table of Contents: starting sectors 1.( 0), 2.( 18342), 3.( 34824), 4.( 53759), 5.( 73410), 6.( 93421), 7.( 110174), 8.( 125240), 9.( 146223), 10.( 173569), 11.( 206794), lead-out( 229538) CDINDEX discid: gXEGPaFa.bE3tRT6QkXg2UOIun8- CDDB discid: 0x9b0bf40b CDDBP titles: resolved CD-Text: not detected CD-Extra: not detected Album title: 'Talkie Walkie' [from Air] Track 1: 'Venus' Track 2: 'Cherry Blossom Girl' Track 3: 'Run' Track 4: 'Universal Traveler' Track 5: 'Mike Mills' Track 6: 'Surfing On A Rocket' Track 7: 'Another Day' Track 8: 'Alpha Beta Gaga' Track 9: 'Biological' Track 10: 'Alone In Kyoto' samplefile size will be 459566732 bytes. recording 2605.2533 seconds stereo with 16 bits @ 44100.0 Hz ->'audio'... using lib paranoia for reading. percent_done: 100% track 1 'Venus' recorded successfully 100% 0 rderr, 0 skip, 0 atom, 0 edge, 0 drop, 0 dup, 0 drift 100% 245 overlap(0.5 .. 0.5) 100% track 2 'Cherry Blossom Girl' recorded successfully 100% 0 rderr, 0 skip, 0 atom, 0 edge, 0 drop, 0 dup, 0 drift 100% 224 overlap(0.5 .. 0.5) 100% track 3 'Run' recorded successfully 100% 0 rderr, 0 skip, 0 atom, 0 edge, 0 drop, 0 dup, 0 drift 100% 260 overlap(0.5 .. 0.5) 100% track 4 'Universal Traveler' recorded successfully 100% 0 rderr, 0 skip, 0 atom, 0 edge, 0 drop, 0 dup, 0 drift 100% 268 overlap(0.5 .. 0.5) 100% track 5 'Mike Mills' recorded successfully 100% 0 rderr, 0 skip, 0 atom, 0 edge, 0 drop, 0 dup, 0 drift 100% 275 overlap(0.5 .. 0.5) 100% track 6 'Surfing On A Rocket' recorded successfully 100% 0 rderr, 0 skip, 0 atom, 0 edge, 0 drop, 0 dup, 0 drift 100% 229 overlap(0.5 .. 0.5) 100% track 7 'Another Day' recorded successfully 100% 0 rderr, 0 skip, 0 atom, 0 edge, 0 drop, 0 dup, 0 drift 100% 206 overlap(0.5 .. 0.5) 100% track 8 'Alpha Beta Gaga' recorded successfully 100% 0 rderr, 0 skip, 0 atom, 0 edge, 0 drop, 0 dup, 0 drift 100% 288 overlap(0.5 .. 0.5) 100% track 9 'Biological' recorded successfully 100% 0 rderr, 0 skip, 0 atom, 0 edge, 0 drop, 0 dup, 0 drift 100% 374 overlap(0.5 .. 0.5) 100% track 10 'Alone In Kyoto' recorded successfully 100% 0 rderr, 0 skip, 0 atom, 0 edge, 0 drop, 0 dup, 0 drift 100% 298 overlap(0.5 .. 0.5) real 6m2.983s user 0m15.970s sys 0m8.468s
Auch unter Windows wäre es kein Problem das Album zu kopieren.
Jedes beliebige Audio-Programm sollte dazu ausreichen,
sei es Feurio, Exact Audio Copy oder auch die Windows-Version
von cdda2wav
.
Wie es mit iTunes, Nero und Music Match aussieht, entzieht sich meiner Kenntniss. Derartiges Gefrickel nutze ich nicht. Von Nero weiß ich jedoch, dass es nichtmal heile Alben problemlos kopiert, eine Fehlfunktion würde mich daher nicht überraschen.
Meine Talkie-Walkie-Kopie ist auch nach einem Jahr noch im rein blauen Bereich, selbst der Marantz CD 63 SE macht keine Zicken.
Ich halte es für ausgeschlossen, dass sie jemals derartig viele fehlerhafte Sektoren wie ihre Quelle aufweisen wird.
Und beim nächsten mal erkläre ich Euch, warum sich nur Pappnasen das Sony-Rootkit
installiert haben.